Politik am Arbeitsplatz: Erste Hilfe bei Aktivismus

Erste Hilfe wenn’s aktivistische Mitarbeiter:innen gibt

Bringen Arbeitnehmer:innen Politik mit an den Arbeitsplatz, stehen Arbeitgeber:innen vor einer Kommunikationsherausforderung und einem potenziellen Imageproblem. Wir verraten dir ein paar Tipps, wie du mit dem Aktivismus deiner Mitarbeiter:innen umgehen kannst.

 

Klima, der Krieg in Gaza, fortschreitender Rechtsextremismus, Inklusivität: Es gibt viele politische und gesellschaftliche Entwicklungen, für die Bürger:innen demonstrieren oder sich auf andere Weise engagieren. Aber was wäre, wenn sie diesen Aktivismus an den Arbeitsplatz übertragen und ihn als Bühne nutzen würden? Dafür gibt es im In- und Ausland zahlreiche Beispiele. Lehrer:innen halten Mahnwachen ab, um der Opfer im Nahen Osten zu gedenken; Beamt:innen protestieren gegen rechtsextreme Parteien, die eines Tages ihre politischen Arbeitgeber:innen werden könnten; Büroangestellte, die mehr Inklusivität fordern – nicht an ihrem Arbeitsplatz, sondern in der Gesellschaft als Ganzes.

Arbeitgeber:innen sind klassische Arbeitskonflikte wie Streiks und Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften gewohnt. Doch der jüngste Aktivismus unter Mitarbeiter:innen ist ganz anderer Natur, denn er betrifft Themen, die außerhalb des Wirkungsbereichs und der Verantwortung der Organisation liegen. Kein Unternehmen ist in der Lage, das Klimaproblem eigenständig zu lösen oder Kriege an entfernten Orten zu stoppen.  Darüber hinaus sind die Themen, um die es geht, umstrittene Themen in der Gesellschaft, und die Meinungen gehen oft weit auseinander. Von einer Einheitsfront unter den Mitarbeiter:innen kann daher in der Regel keine Rede sein. Unter Kolleg:innen kann es zu heftigen Meinungsverschiedenheiten kommen, die Temperatur am Arbeitsplatz steigt und die Arbeitgeber:innen stecken zwischen zwei Bränden. Aktionen stören den Produktionsprozess und ggf. auch die Arbeitsatmosphäre und können die Sicherheit am Arbeitsplatz und die Erreichbarkeit des Standortes beeinträchtigen.

Das alles stellt eine enorme Herausforderung für Kommunikation und Marketing dar. Kein Unternehmen möchte als Brutstätte für Aktivismus gelten. Dies lenkt vom Kerngeschäft ab und kann Kund:innen vermuten lassen, dass Politik wichtiger ist als die Qualität des Produkts – ganz zu schweigen von der Gefahr, dass sie anderer Meinung sind und sich daher vom Unternehmen trennen könnten. Was kann präventiv und reaktiv dagegen getan werden? Basierend auf Best Practices und jüngsten Erfahrungen habe ich eine Reihe von Anweisungen:

Erstelle im Voraus Regeln

Gibt es bereits Regeln für die Nutzung des öffentlichen Raums, für die Verteilung nicht- firmenspezifischer Informationen durch Mitarbeiter:innen, für das Aufhängen von Plakaten und Bannern etc.? Nein? Dann verfasse diese umgehend und kommuniziere sie klar. Es ist nicht glaubwürdig und noch weniger wirksam, wenn während einer Aktion plötzlich neue Regeln auftauchen. Interne Regelungen sind sowohl im Zusammenhang mit der physischen als auch der sozialen Sicherheit am Arbeitsplatz sinnvoll.

Positionen formulieren

Unternehmen sind per Definition neutral und beziehen zu kontroversen gesellschaftlichen Themen keine Stellung. Aber Organisationen sind letztlich nichts anderes als die Summe einzelner Menschen, die tätsachlich Stellung beziehen und diese kommunizieren wollen. Gehe dieses Dilemma proaktiv an, indem du aus eigener Initiative den Dialog zu aktuellen Themen ermöglichst. Dies geschieht am besten über regelmäßige Beratungsgremien wie den Betriebsrat. Mache deinen Mitarbeiter:innen klar, dass sich die Organisation der Probleme in der Gesellschaft bewusst ist, auch wenn diese außerhalb des Geschäftsfelds liegen und das Unternehmen keine Stellung bezieht. Durch frühzeitiges Verständnis und die Ermöglichung eines Dialogs kann eine Eskalation verhindert werden.

Wie weit möchte ich gehen?

Sobald Aktionen stattfinden, besteht in der Unternehmensleitung häufig die Tendenz, Aktivist:innen entgegenzukommen. Zum Beispiel, indem man störende Handlungen toleriert, oder indem man Aufrufe befürwortet oder sich auf langwierige Beratungen einlässt. Sei dabei vorsichtig, denn zu viel und zu schnelles Biegen kann später viel größere Probleme verursachen, insbesondere für das Unternehmensimage. Macht euch bewusst, dass es auf jede Aktivist:in Gegenaktivist:innen gibt und dass es in der Außenwelt oft sehr wenig Sympathie für Aktionen gibt. Dies kann ein allzu entgegenkommendes Management lange Zeit verfolgen.

Überlegt euch als Unternehmensleitung also genau, wie weit ihr gehen möchtet.

Lasse die Aktivist:innen ihre Unterstützung beweisen

Aktivist:innen geben per Definition vor, im Namen „der Arbeiter:innen“ oder „der Bürger:innen“ zu agieren, auch wenn die Zahl der Unterstützer:innen in Wirklichkeit begrenzt ist. Dies kann die gegenseitigen Beziehungen stören und ein falsches Bild der tatsächlichen Unterstützung vermitteln, die Kolleg:innen den Aktivist:innen entgegenbringen. Ein Management, das mit Aktivist:innen konfrontiert ist, tut daher gut daran, diese zu bitten, ihre Unterstützung in der Firma nachzuweisen. Lasse die Aktivist:innen durch Unterschriftenlisten oder Sympathiebekundungen deutlich machen, in wessen Namen sie sprechen. Es gibt keinen Grund, dies nicht zu tun, solange die Ziele legitim sind. Versuche auch, den Dialog über die bestehenden Mitbestimmungs- und Kommunikationskanäle zu führen. Funktioniert dies nicht, ist das auch ein Hinweis auf eine eingeschränkte Unterstützung der Mitarbeiter:innen und ein Grund für das Management, souveräner mit Aktivist:innen umzugehen.