Wort ist Detektivsport: Wie sich das Schreiben für die Fachpresse vom literarischen Schreiben unterscheidet
Zeichen, Buchstaben, Zahlen oder Ähnliches in einer lesbaren Reihenfolge niederschreiben – das versteht man gemeinhin unter der Tätigkeit des Schreibens. Doch im geschriebenen Wort steckt so viel mehr, als diese nüchterne Definition vermuten lässt. Es transportiert Bedeutung, Wissen, Emotionen, hält Erfahrungen fest, konserviert Erinnerungen. Es ist so schillernd wie die Persönlichkeit, die es zu Papier – oder auf den weißen Bildschirm – bringt. Und so vielfältig wie die Intention, mit der es entsteht. Ob Kommunikation, Wissenstransfer oder kreative Entfaltung – Schreiben ist ein bloßes Mittel zum Zweck oder der Schlüssel zur Erfüllung. Und wer das Schreiben zum Beruf macht, weiß vor allem zweierlei: Text ist nicht gleich Text und Geschmäcker sind verschieden.
Als Autorin von Fantasyromanen und Redakteurin einer PR- und Content-Marketing-Agentur, die qualitativ hochwertige Texte für die Fachpresse verschiedener Branchen verfasst, erlebe ich das fast täglich. So unterschiedlich mein privates Hobby und mein Brotjob auch sein mögen, diese Faustregeln gelten für beide Arten des Schreibens. Stellt sich nur die Frage: Ist das das Ende oder erst der Anfang der Gemeinsamkeiten?
Eine Frage der Intention: Künstlerischer Ausdruck vs. Informationsvermittlung
In einem Punkt unterscheiden sich literarisches Schreiben und Schreiben für die Fachpresse deutlich: in den Zielen der Textgestaltung. Literarisches Schreiben umfasst eine breite Palette von Formen und Stilen, darunter Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und Theaterstücke. Die primäre Zielsetzung besteht darin, durch Sprache Kunst zu schaffen, die den Leser berührt und ihn in eine andere Welt eintauchen lässt.
PR-Texte haben hingegen einen ganz anderen Fokus. Pressemitteilungen, Fachartikel, Anwenderberichte, Blogartikel und Social-Media-Posts sollen Vertrauen aufbauen und eine zuvor genau definierte Zielgruppe informieren. Relevanz, Aktualität und Nutzen der bereitgestellten Informationen müssen klar zur Geltung kommen. Das mag einfach klingen, ist jedoch eine Herausforderung für sich. Gerade bei komplexen Themen besteht die Kunst darin, relevante Informationen so aufzubereiten, dass sie verständlich und nützlich sind. Manchmal ist der Input vom Kunden so diffus oder das Thema so kompliziert (gleich: mitunter chemischer Natur), dass der Weg zur metaphorischen Erleuchtung zur Suche nach dem heiligen Gral mutiert. Schaffe ich es am Ende, einen Text zu produzieren, der wider Erwarten Sinn ergibt, fühle ich mich schon hin und wieder wie die Heldin meiner eigenen Geschichte. Wer (jenseits der 30) stellt schon beim Versuch, durch den Kleiderschrank zu steigen, seine Rückengesundheit aufs Spiel, wenn er stattdessen in der PR arbeiten kann?
Metaphern vs. Fakten: Ein Duell der Schreibstile
Große Stilvielfalt und eine nahezu unbegrenzte Gestaltungsfreiheit – Autorinnen und Autoren literarischer Texte nutzen Metaphern, Symbolik, komplexe Sprachbilder und Stilmittel, um emotionale und intellektuelle Reaktionen bei ihrer Leserschaft hervorzurufen. Die Sprache kann poetisch, experimentell oder auch provokativ sein, je nachdem, welche Wirkung erzielt werden soll. Autorinnen und Autoren haben die Freiheit, individuelle Perspektiven und Meinungen zu präsentieren und einen eigenen, unverwechselbaren Ton zu entwickeln. Literarische Texte dürfen mehrdeutig sein, Raum für Interpretationen lassen und den Leser zum Nachdenken anregen.
Um Sachverhalte klar und präzise zu vermitteln, bedient sich die PR in der Regel einer einfachen und direkten Sprache. Komplexe Sprachbilder und poetische Ausschmückungen sind hier fehl am Platz. Fakten, Daten und klare Aussagen stehen im Vordergrund, die Information im Mittelpunkt. Der klassische PR-Stil ist sachlich, professionell und frei von persönlichen Meinungen. Er darf aber auch nicht langweilig sein. Und genau hier ist ebenso wie im Literarischen Milieu Kreativität gefragt: Wer will, dass die Zielgruppe den Text auch liest, genießt das Spiel mit den formalen und stilistischen Grenzen und bedient sich der gelegentlichen Ausnahme von der Regel. Ich selbst sehe diese Gratwanderung als kreative Herausforderung. Die strikten Strukturen aufzulockern, ohne die Seriosität des Textes auf die Probe zu stellen, macht für mich den besonderen Reiz des Schreibens für die Fachpresse aus. Auch kommt die Suche nach dem perfekten Wort oft einem besonders anspruchsvollen Kreuzworträtsel gleich. Präzise Sprache mag im ersten Moment dröge klingen, stellt für mich jedoch eine der Königsdisziplinen des Schreibens dar. Eine, die besonders viel Kreativität erfordert.
Form folgt Funktion: Der Balanceakt zwischen Klarheit und Kreativität
PR-Texte sind in der Regel nach einer klaren und festen Struktur aufgebaut: Einleitung, Hauptteil und Schlussfolgerung, Informationen nach absteigender Relevanz. Dieser vorgegebene Rahmen stellt sicher, dass die Botschaft logisch aufgebaut ist und die Zielgruppe die wichtigsten Informationen leicht versteht. Außerdem wird dadurch die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten erleichtert, da diese bei Platzmangel von hinten kürzen können.
Hingegen ist auch hier das schriftstellerische Herz frei und ungebunden. Autorinnen und Autoren können mit Formen und Strukturen experimentieren, um ihre Geschichten und Ideen auf einzigartige Weise zu präsentieren. Ein Roman kann beispielsweise mehrere Handlungsstränge und Perspektiven enthalten, die nicht linear verlaufen. Gedichte können durch ihre Form und ihren Rhythmus eine ganz besondere Wirkung erzielen. Diese Freiheit – gepaart mit dem Drang, etwas besonders Originelles zu schaffen – mag aber auch dazu verleiten, jegliche Regeln über Bord zu werfen. Wer auf Großbuchstaben und Satzzeichen verzichtet, ständig und ohne Vorwarnung die Erzählperspektive wechselt und hinter jedem Satz eine tiefere Bedeutung versteckt, reißt irgendwann auch die kreative Freiheit aus den Angeln. Eine gute Faustregel lautet: Überraschung ist gut, Verwirrung nicht zielführend. Hier dürfen sich Kreativschaffende gerne eine Scheibe von der PR abschneiden.
Denn auch ein literarischer Text sollte gewissen Regeln folgen, um die Leserinnen und Leser abzuholen. Das gilt vor allem für das Fantasy-Genre. In einer Welt, in der alles möglich ist und Lösungen Deus-ex-machina-mäßig vom Himmel fallen, ist es schwer, Spannung aufzubauen. Darum lege ich auch bei meinen Romanen Wert auf einen Weltenbau, der definierten Regeln folgt. Wenn die Lesenden nicht wissen, was auf dem Spiel steht, sind sie vielleicht nicht involviert genug, um bei der Stange zu bleiben.
Von Einhörnern und Schleifanlagen: Die Kunst des spannenden Schreibens
Selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob man über Logistik oder über Einhörner schreibt. Fachthemen zeichnen sich durch Komplexität und sachliche Tiefe aus, literarische durch Fantasie und Emotionalität. Ein literarischer Text muss nicht immer in einer Fantasiewelt spielen, aber auch bei einem alltäglichen Setting ist der kreative Kopf gefragt. Autorinnen und Autoren haben die Freiheit, persönliche oder abstrakte Themen zu erforschen und Geschichten jenseits der Realität zu erzählen. Dies ermöglicht die Auseinandersetzung mit tiefgründigen, komplexen und oft auch gesellschaftlich relevanten Themen.
Während das literarische Schreiben individuellen Bedürfnissen, Träumereien oder Meinungen entspringt, gestaltet sich die Themenfindung für die Fachpresse oft schwieriger. Hier stehen etwa Produktankündigungen, Unternehmensneuigkeiten und Marktanalysen im Vordergrund. Beim Schreiben für die Fachpresse gilt es, herauszufinden, welche Themen das Image des Kunden stärken, für die Branche wirklich interessant sind und eine breite Fachleserschaft ansprechen. Um genau diesen einen, aktuell relevanten Mehrwert zu finden, ist hin und wieder Detektivarbeit notwendig. Die neue Schleifanlage deines Kunden erscheint dir nicht besonders spannend? Dann sorge dafür, dass sie es wird! Hinterfrage die Gründe für die Anschaffung, den Nutzen für das Unternehmen, verfolge die gesamte Wertschöpfungskette, bis du weißt, inwiefern der Endkunde von der Neuanschaffung profitiert. Tauche tiefer, stelle Zusammenhänge her, recherchiere, was die Branche aktuell bewegt, und überlege, inwiefern dein Kunde zu diesem Thema etwas beitragen kann. Kleide all diese Informationen in das Gewand des Storytellings und schon hast du einen spannenden Text für die Fachpresse. Ich jedenfalls liebe den Moment, in dem sich nach langem Nachbohren, Verknüpfen und Deduzieren endlich das Aha-Erlebnis einstellt. So muss es sich anfühlen, wenn man nach 42,195 km Todesqual erst hinter der Marathon-Ziellinie zusammenbricht. Es sind eben doch die kleinen Momente im Leben.
(Zu folgender Richtigstellung werde ich von der Geschäftsleitung, nun, nennen wir es „ermutigt“: Das Wort „Todesqualen“ spiegelt lediglich meine starke Aversion gegen die genannte Art der körperlichen Leibesertüchtigung dar und steht in keinerlei Zusammenhang mit meiner beruflichen Tätigkeit.)
Kontext ist König, Kreativität Königin
Wie so oft gilt also auch bei Textstruktur und Wortwahl: Der Kontext ist entscheidend. Literarisches Schreiben und das Schreiben für die Fachpresse sind in vielerlei Hinsicht grundverschieden, haben jedoch auch Gemeinsamkeiten. Vor allem aber können und sollten sie voneinander lernen. Auch ein Text über Lagerverwaltungssysteme darf kreativ gestaltet sein. Und bei aller schöpferischen Freiheit schadet es einem literarischen Text nicht, die Form zu wahren und sich hin und wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Privat sowie beruflich mische ich mir darum immer wieder das Beste aus beiden Buchstabensuppen zusammen. Am Ende des Tages kommt es nicht auf die Art des Schreibens an, sondern auf eine gute und qualitativ hochwertige Umsetzung. Denn für den Erfolg eines Textes sollte grundsätzlich nicht am Lesevergnügen gespart werden.
Und für alle, die das Schreiben zu ihrem Beruf gemacht haben, darf der Spaß natürlich auch nicht zu kurz kommen. Ob kreative Freiheit, Emotionalität und künstlerischer Ausdruck oder Klarheit, Präzision und strategische Kommunikation überwiegen – die Liebe zum geschriebenen Wort findet in vielen Formen Ausdruck. Definitiv auch in der PR, wie ich hier bei additiv jeden Tag aufs Neue erleben darf.