Vom Journalismus in die PR: Eigentlich ganz einfach, oder?
Aller Anfang ist schwer – das gilt auch in einer Content Marketing- und PR-Agentur. Meine ersten Erfahrungen im neuen Job werde ich jedenfalls nie vergessen. „Konzipiere mal eine Pillar Page zum Thema nachhaltige Zementproduktion!“, lautete ein Arbeitsauftrag. „Pillar was?“, dachte ich mir.
„Und wie zum Teufel komme ich jetzt an verlässliche Informationen zum Thema nachhaltiger Zement?“
Ein wenig fühlte ich mich wieder wie ein Volontär. Damals, bei einer lokalen Tageszeitung, waren die ersten Aufgaben auch nicht leicht. In meinem ersten Sonntagsdienst klaffte zu später Stunde noch eine große Lücke in der Montagsausgabe. 100 Zeilen zu einem Volksfest sollten von einem freien Mitarbeiter vor Ort kommen, hieß es zumindest. Als seine E-Mail schließlich eintraf, enthielt sie gerade einmal 60 Zeilen Text. „Mehr konnte ich dazu leider nicht schreiben, es war einfach nichts los“, meinte er knapp. Also kramte ich in meinem gesamten Repertoire an Füllwörtern und Phrasen, um weitere 40 Zeilen zu schreiben, ohne je einen Fuß auf das Volksfest gesetzt zu haben. „Redakteur kommt von redigieren“, pflegte die damalige Redaktionsleiterin zu sagen.
Es war eine Herausforderung, aber sie hatte auch ihre guten Seiten. Sonst wäre ich vermutlich nicht 20 Jahre bei der Zeitung geblieben. Wenn man Hektik und Zeitdruck standgehalten hat und am Abend das fertige Produkt in den Druck geht, weiß man genau, wofür man den ganzen Tag geschafft hat! Trotzdem war mitunter auch etwas Wehmut dabei: Irgendwann möchte ich Zeit haben, mich tiefer in Themen einzuarbeiten und an meinen Texten zu feilen, dachte ich manchmal. Im Sommer 2023 war es dann so weit: Ich wagte den Wechsel zu additiv. „Schreiben kann ich“, dachte ich mir, bevor ich bei der Agentur anfing. Doch mir dämmerte rasch, dass es jetzt auch noch auf ganz andere Dinge ankommt. Mindestens fünf Grundsätze, die ich im Laufe meines Journalistenlebens verinnerlicht hatte, wurden auf die Probe gestellt.
Grundsatz 1: Ich habe maximal einen halben Tag Zeit für meinen Text!
Ich muss lange überlegen, ob ich in 20 Jahren bei der Tageszeitung jemals länger als 3 oder 4 Stunden an einem Artikel geschrieben habe. Natürlich konnte die Recherche im Einzelfall auch mal aufwendiger sein. In der Regel galt jedoch: Pro Arbeitstag muss mindestens ein 100-Zeiler fertig werden – und das neben all den anderen Aufgaben in der Redaktion. Bei einer Agentur ticken die Uhren anders. Ein Fachartikel für ein Magazin aus der Logistikbranche oder aus dem Maschinenbau will umfassend recherchiert sein. Die Leser sind schließlich selbst Experten, die viel Hintergrundwissen mitbringen. Vom ersten Konzept bis zur endgültigen Freigabe des Texts durch den Kunden vergehen nicht selten mehrere Wochen, in denen immer wieder an einzelnen Formulierungen gefeilt wird. Am Ende steht ein Bericht mit inhaltlicher Tiefe, in dem möglichst jedes Wort sitzen sollte.
Grundsatz 2: Es gibt objektive Maßstäbe für einen guten Text!
Journalistisches Handwerk will gelernt sein, und viele Regeln für den Aufbau einer Meldung oder eines Berichts gelten sicherlich auch für PR-Texte. Dennoch kann das Schreiben in einer Agentur von Kunde zu Kunde sehr unterschiedlich sein. Manche Auftraggeber legen Wert auf einen journalistischen Stil, weil sie sich davon gute Chancen auf eine Veröffentlichung in den Medien versprechen. Andere wiederum bevorzugen eine werbliche Ansprache oder sie bestehen auf eher sperrige Formulierungen, weil diese bereits intern abgestimmt sind. Ob ein Text dem Kunden gefällt, ist für mich als Autor nicht immer vorhersehbar. Die Sprache so einzusetzen, dass sie den Vorstellungen des Auftraggebers möglichst nahe kommt, ist eine Herausforderung in meinem neuen Job. Beim Stil ist Wandlungsfähigkeit gefragt.
Grundsatz 3: Der nächste Arbeitstag ist nicht planbar!
Woher soll man als Journalist auch wissen, was morgen Relevantes passiert? Natürlich gibt es absehbare Termine und bei manchem Text ist auch klar, wann er geschrieben werden muss. Mehr als einen halben Arbeitstag habe ich bei der Zeitung aber nur selten im Voraus geplant. Bei der Agentur mache ich nun freitags meinen Plan für die komplette nächste Woche. Natürlich können sich auch hier spontane Änderungen ergeben. Die meisten Projekte laufen jedoch über längere Zeit und können nicht an einem Tag abgeschlossen werden. Bei einer Vielzahl von Aufgaben für unterschiedliche Kunden den Überblick zu behalten und die Arbeit sinnvoll zu strukturieren, erfordert eine vorausschauende Planung.
Grundsatz 4: Viele Themen wiederholen sich!
Ob Karnevalssitzung, Herbstkonzert oder Erntebilanz – im Lokaljournalismus gibt es echte Dauerbrenner. So abwechslungsreich und unplanbar der einzelne Arbeitstag auch sein mag, bestimmte Themen kehren jedes Jahr wieder und können mit minimalem Rechercheaufwand abgearbeitet werden. Das gilt in meinem neuen Job nicht in diesem Maße. Ich schreibe zwar mehrmals über die gleichen Produkte, aber nie im exakt gleichen Kontext. Selbst die Berichterstattung über wiederkehrende Messen ändert sich, weil es immer wieder Innovationen gibt. Die Kunden aus Logistik und Maschinenbau entwickeln ihre Lösungen ständig weiter. Und auch die Anforderungen an das Schreiben sind im Fluss: Während ich in der Agentur heute auch darauf achten muss, wie gut ein Thema von der Suchmaschine Google gefunden wird, spielten solche Überlegungen bei der Tageszeitung keine Rolle. Dort galt: Nichts ist älter als die Nachricht von gestern. Die interessiert morgen ohnehin keinen mehr.
Grundsatz 5: Am kommenden Wochenende habe ich keine Zeit!
Diesen Satz haben meine Familienmitglieder und Freunde im Laufe der Jahre immer wieder gehört. Tatsächlich habe ich bei der Zeitung zwar durchschnittlich nur an einem Sonntag pro Monat gearbeitet, aber Kollisionen mit privaten Freizeitaktivitäten waren trotzdem oft nicht zu verhindern. Feiertage wie Ostermontag oder auch den Zweiten Weihnachtstag habe ich stets in der Redaktion verbracht. „Gut, dass wir keine Kinder haben“, habe ich in diesem Zusammenhang manchmal gesagt. Wie mag es erst den Kollegen in der Sportredaktion ergangen sein, die üblicherweise an jedem Wochenende im Dienst sind? Seit ich bei der Agentur bin, gehören derartige Terminkonflikte der Vergangenheit an. Die beruflichen Anlässe, die im Laufe eines Jahres auf einen Freitagabend oder Sonntagnachmittag fallen, lassen sich bequem an einer Hand abzählen. An Feiertagen gehöre ich endlich meiner Frau.
Und nun sitze ich hier nach meinem Wechsel vom hektischen Journalismus in die projekt- und konzeptdominierte PR-Branche.
Die Tage als Zeitungsredakteur mit dem ständigen Balanceakt zwischen Platzmangel und Zeitdruck gehören der Vergangenheit an. In der Agenturwelt zählt jedes Wort, und die Planung reicht nicht nur für den nächsten Tag, sondern erstreckt sich über Wochen und Monate. Statt schneller 100-Zeiler bestimmen nun akribische Recherche für tiefgreifende Fachartikel und vorausschauende Kampagnenplanung meinen Arbeitsalltag. Manchmal denke ich noch an meinen ersten Sonntagsdienst als Volontär, als ich 40 Zeilen zu einem Volksfest aus dem Hut zaubern musste, während andere den Nachmittag auf der Couch verbrachten. Auch das hat Spaß gemacht und rückblickend ist nun ebenfalls etwas Wehmut dabei. Das Content Marketing und die PR-Welt freilich haben andere Regeln, aber auch sie bietet aufregende Abwechslung.
Und ich bin gespannt auf die nächsten Kapitel!